9. Etappe: Irkutsk- das was da auf dem Risikofeld ganz rechts ist… wo sind wir?

Tja, Irkutsk. Hier haben wir zum ersten Mal einen längeren Zwischenstopp eingeplant, nämlich fast eine Woche. Weil es hier so toll sein sollte, man am Baikalsee ist und den ja genießen muss (im Winter Hundeschlitten über den größten See der Welt der trotzdem zufriert, im Sommer baden am Strand).

So weit, so gut – nur, was nirgends stand: Irkutsk liegt leider auf der falschen Seite fürs Baden (weil im Moment = Sommer) und ist vom Prinzip her eine russische Stadt wie andere auch – aber – und jetzt kommt der entscheidende Unterschied: ein paar Touristen haben sie für sich entdeckt. Vor allem chinesische und russische, aber zum ersten Mal seit fast einem Monat sind wir auch wieder Deutschen begegnet, dazu ein paar Spaniern, Südamerikanern, Österreichern, Franzosen, Amerikanern und Niederländern.

Und hier wurde uns auch bewusst, was uns bisher so gut an Russland gefallen hat: die touristische Verschonung.

Durch die Touristenmassen, die in Moskau schon befremdlich waren, hier aber unangenehm sind, gefällt uns die Stadt leider nicht so gut wie sie es sonst vielleicht könnte.

Was wir wiederum interessant finden ist, dass man die Nähe zur Mongolei langsam schon ein bisschen spüren kann, vor allem beim Essen. Oder wir bilden uns die ganze Sache ein und das hat alles nichts miteinander zu tun – aber das werden wir ja alles nächste Woche erfahren :)!

Und noch etwas Verwirrendes… nachdem wir die rote Linie in Jekaterinburg ja schon erfolgreich verfolgt hatten, stießen wir hier auf die… grüne Linie. Und den Eiffelturm. Hm. Das lässt uns ratlos.

Olkhon-Insel… Wiiiiiilsoooooooon!!!

Auf den Rat eines in Irkutsk lebenden Belgiers hin haben wir spontan beschlossen, die Tagesausflugspläne die wir von Irkutsk aus hatten, zu knicken und stattdessen drei Tage auf die Insel Olkhon zu fahren – die größte und auch einzige bewohnte Insel im Baikalsee (70 km lang, 1500 Bewohner).

Landschaftlich wunderschön hat dieser Ausflug uns auf jeden Fall für Irkutsk entschädigt – touristisch steht die Insel der Stadt leider inzwischen in nichts mehr nach sondern macht ihr ernsthafte Konkurrenz.

Es gibt nur eine Stadt auf der Insel und sonst noch ein paar verstreute Häuser, wenn fünf zusammenstehen, nennt sich das dann „Dorf“.

Auch die Stadt ist überschaubar – durchquert hat man sie in jede Richtung in etwa zehn Minuten zu Fuß. Befestigte Straßen gibt es nicht, aber braune Erdspuren die sich dort durch die Wiesenlandschaft ziehen, wo eben alle Autos sie durchfurchen. UND es gibt keinen Geldautomaten!!! Und das ist quasi ein Wunder, denn die Dinger sind sonst so unglaublich omnipräsent, dass man meinen könnte, Russland besteht aus gar nichts anderem.

Bis vor einigen Jahren gab es hier noch keinen Strom, aber das hat sich geändert. Fließend Wasser ist zwar noch nicht, durch das Naturschutzgebiet, das die Hälfte der Insel ist, rollen aber täglich Dutzende von Minibussen, die Hunderte von Touristen in einer Massenabfertigung von einem Felsen zum nächsten karren, damit jeder mit seinem Lieblingsstein ein wunderbar inszeniertes Selfie für Daheim machen kann.

Abends gibt’s Unterhaltungsprogramm direkt im Guesthouse oder in der Festhalle – ein Zirkuszelt im Rande der Stadt.

Der Baikalsee wirkt eher wie Meer, was bei der Größe nicht verwunderlich ist. Er ist an der tiefsten Stelle ca. 1,6 km tief, 82 km breit und 673 km lang und benimmt sich auch wie ein Meer – Wellen sind möglich und es gibt Sandstrände. Das Wasser ist so klar, dass man an manchen Stellen wohl bis zu 40 Meter tief sehen kann.

Die Insel ist so eine seltsame Mischung aus Unberührtheit und touristischer Überfüllung. Die Zivilisation ist irgendwie nur in Brocken angekommen (im der Stadt Stehen Colakühlschränke, daneben grasende Kühe und nach einer westlichen Toilette sucht man eher vergeblich – übrigens haben wohl sehr viele Menschen nicht die Fähigkeit, ein 60-cm-Loch im Boden zu treffen…). Man kann stundenlang in einem Kleinen Truck darüber holpern (bevor wir hier waren, hatten wir wirklich keine Ahnung, was das Wort Schlagloch bedeutet. Wirklich. Keine.) und sieht Herden von Kühen und Pferden, die mitten im Nichts seelenruhig grasen.

Auch für viele Russen ein Naherholungsgebiet, immer wieder sieht man am Ufer ein aufgeschlagenes Zelt.

Insgesamt also Landwirtschaftlich wirklich wunderschön, die Touristenabfertigung aber mächtig abstoßend. Bleibt zu hoffen, dass das alles so nicht in kürzester Zeit ruiniert wird.

10. Etappe: Ulan Ude. Endlich. Wir haben ihn gefunden.

Was wussten wir bisher von Ulan Ude? Naja, ein junger Russe, den wir im Zug getroffen hatten und dem wir von unseren Reiseplänen erzählt hatten, brach in ein lang anhaltendes, lautes Klagen aus („Noooo! No, no, no, no, nooooooooo! Not Ulan Ude, noooooo!!“). Und: hier steht er. Der größte Leninkopf der Welt.

Johannes am Ziel seiner Träume. Fast acht Meter ist er hoch, vierzig Tonnen schwer

und steht zusätzlich noch auf einem ziemlich hohen Steinsockel.

Da wir nur einen Abend in Ulan Ude hatten, war das tatsächlich neben etwas zu essen und einem kurzen Spaziergang durch die Stadt die einzige atemberaubende Erfahrung, die wir hier gemacht haben.

Wobei… um ehrlich zu sein, war da eben zum einen noch die halbe Stunde, in der wir drei jungen Kellnerinnen unentwegt die Schamesröte ins Gesicht trieben bis sie sich minutenlang unter dem Tresen versteckten weil ihnen so peinlich war, dass sie kein Englisch sprachen und zum anderen die sowohl haptisch (interessantes Leinen-Papier-Klebe-Gefühl) als auch optisch überaus ansprechende Tapete unseres Hotelzimmers (wo wir in Ermangelung eines anderen Angebotes ein Dreibettzimmer gebucht und eines mit einem einzigen 1,20m Bett bekommen hatten – kuschelig :)).

Tschüssi Russland, Hallihallo Mongolei – Zugfahrt und Grenze

Seit gestern sind wir nun in der Mongolei angekommen und nun können wir wohl auch nicht länger verhehlen, dass wir Transmongolische und eben nicht Transsibirische Eisenbahn fahren.

Wir teilten uns unser Zugabteil (eine der beiden Fahrten, die wir in der 2. Klasse hatten – hier tatsächlich aus dem Grund, dass wir keine andere buchen konnten) mit zwei älteren Herren aus den Niederlanden. Die beiden sind gerade dabei, kreuz und quer durch die Welt zu fahren und waren wohl in den letzten Jahren schon so ziemlich überall.

Auch sonst fanden wir uns plötzlich inmitten eines Haufens von Ausländern wieder – hauptsächlich noch mehr Holländer, aber auch ein paar Deutsche u.v.m. war anwesend.

Wir hatten uns vorher schon gedacht dass die zweite Klasse wohl eher von Nichtrussen gebucht wird, aber in diesem Fall wurde wohl noch etwas sorgfältiger als sonst sortiert, denn dieses Mal fuhren wir ja über die Grenze.

Das funktioniert hier so, dass eine Stunde vorher die Klos abgesperrt werden und niemand mehr den Zug verlassen darf; sowohl der Zoll als auch die Grenzkontrollen laufen dann durch den Zug, stellen alles auf den Kopf, sammeln die Pässe ein, verteilen Stempel und checken die Visa. Wenn der gesamte Zug fertig ist, fährt man weiter – ungefähr eine halbe Stunde, denn dann wiederholt sich das ganze noch einmal – auf der mongolischen Seite der Grenze, mit mongolischem statt russischen Personal.

Insgesamt dauerte das ganze bei uns etwa 4-5 Stunden. Da sollte man keine schwache Blase haben.

Bei uns war der Zoll auch sehr zahm, gelesen haben wir aber dass das bei Westeuropäern eher normal ist, man geht hier weniger von Schmugglern aus. Einheimische werden wohl gründlicher gefilzt und das kann den ganzen Zug schon mal eine Weile aufhalten.

Wir kamen jedoch wohlbehalten mit fast einer Stunde Verspätung am nächsten Morgen kurz vor sieben in Ulan Bator an und wurden Gott sei Dank von einem Fahrer unseres Guesthouses abgeholt. In Russland hatten wir nämlich dank fast an jeder Ecke verfügbaren W-Lans mit Googlemaps immer recht problemlos unseren Weg und sehr schnell die beste Möglichkeit, mit öffentlichen Verkehrsmitteln irgendwohin zu kommen, finden können.

Seit dem wir allerdings in Sibirien angekommen sind, hat uns das allmächtige Google im Stich gelassen. Entweder es gibt keine oder komplett falsche, grottige Daten. Die Allwissenheit verliert sich wohl irgendwo da, wo auch der McDonalds-Äquator verläuft, denn auch der hat es einfach noch nicht bis hierher geschafft.

Morgen machen wir uns auf ins Umland von Ulan Bator, denn die Stadt an sich ist nicht das Interessante an der Mongolei – sondern das, was darum herum liegt. Nationalparks, Gebirge und die Wüste Gobi.

11. Etappe: Ulan Bator und die Mongolei

Es soll ja Leute geben, die sich die Mongolei als eine riesige Wiese mit einem Ponny darauf vorstellen. Nun muss man sagen, diese Leute haben nicht unrecht. Die Mongolei ist eine riesige Wiese – möglicherweise sind hier und da noch ein paar mehr Ponnys zu finden, die eigentlich gar keine Ponnys, sondern mongolische Pferde sind. Sie sind kleiner und stämmiger als die Pferde bei uns und es ist noch eine gute Portion Wildpferd in ihnen.

Außerdem merkt man den Mongolen durchaus an, dass Sie ein Nomadenvolk waren und sind. In den Städten außerhalb von Ulan Bator gibt es noch jede Menge Menschen, die in Jurten leben, in den Randbezirken von Ulan-Bator auch und auf dem Land, also der riesigen Wiese, sowieso.

Überall sieht man Herden von Pferden, Schafen, Ziegen, Kühen und Kamelen, denn die Hirtenfamilien lassen Sie einfach laufen, wenn Sie gemolken werden oder Wasser wollen, kommen Sie am Abend schon zurück.

Die Küche ist sehr gut aber leider für den mitteleuropäischen Magen schon nach kurzer Zeit sehr anstrengend, denn sie besteht aus sehr, sehr viel Fleisch und Milchprodukten (die meistens in die säuerliche Richtung gehen) und nur wenig Gemüse, denn in der Mongolei selbst wächst neben Karotten, Kartoffeln und Zwiebeln nicht wirklich viel. Alles andere muss importiert werden.

Trotzdem findet man in den Supermärkten überraschenderweise ungefähr das halbe Edekasortiment (gut und günstig steht hier hoch im Kurs und in den Regalen) und in der Stadt auch in Restaurants was das Herz begehrt.

Die Menschen an sich sind eher praktisch veranlagt und nicht besonders förmlich, trotzdem nett und seitdem sie vor 30 Jahren eine Demokratie wurden, gibt es auch immer mehr, die englisch sprechen. Wir konnten uns fast immer verständigen, ein paar Brocken haben alle zusammenbekommen, die jüngeren sprechen oft auch sehr gut.

Sonst auffällig waren für uns die Autos – in Ulan-Bator ist wirklich viel Verkehr und man hat das Gefühl, er besteht fast nur aus Toyota Prius und einigen Hondas, fast alle Autos sind Hybriden und es gibt eher weniger klapprige Schrottkisten.

Die Währung ist Tugreg, man darf sie weder ein- noch ausführen und 1€ sind ca. 3000 Tugreg. Was zu riesigen Geldstapeln und irrwitzigen Preisen führt (gerade sind wir an einem Auto vorbeigekommen, das kostet ca. 90 Millionen). Interessanterweise gibt es aber durchaus auch ganz kleine Tugreg-Scheine, nämlich 10 und 20. Die sollen wohl schon seit einer Weile abgeschafft werden weil sie wirklich ziemlich unsinnig sind, aber da wir einige besitzen, gehen wir davon aus dass Sie noch im Umlauf sind.

Außerdem ziemlich lustig ist ein mongolisches Begrüßungsritual, vor allem unter Männern: jeder Mann hat einen kleinen Flakon, meist aus (Edel)Stein gemacht und oft ein Erbstück, das mit Schnupftabak gefüllt ist. Zur Begrüßung wird einem dieses Fläschchen gereicht und man muss daran schnuppern, es dann dem nächsten Gast zu seiner rechten weiterreichen usw., eventuell bekommt man auch vom Schnupftabak angeboten und darf dann probieren.

Jedes mongolische Kind lernt reiten und für das „Gott“ im Ausdruck „Oh Gott!“ benutzen sie das Wort „Dschingis“, denn der gute Mann, der neun Ehefrauen (und evtl. noch ein paar andere nebenher) hatte, hat eine unglaubliche Anzahl an Kindern in die Welt gesetzt und scheinbar können etwa 200.000 Mongolen (von insgesamt drei Millionen) ihre Abstammung heute noch direkt auf ihn zurückführen.