Nach unserer zweiten Nacht im Zug erreichten wir Perm, wo wir 23 Stunden verbracht haben, um dann wieder in den Zug nach Jekatharinburg zu steigen. Dabei haben wir den Verdacht geschöpft dass unser erster Nachtzug von Sankt Petersburg nach Moskau außerordentlich modern war, denn diese beiden anderen Züge waren doch weit weniger komfortabel. Johannes ist auf jeden Fall immernoch zu lang und tatsächlich haben wir die Klimaanlage vermisst – bei ca. 30 Grad und stickiger Luft im Zug :).Von Perm waren wir sehr überrascht. Nachdem man am Bahnhof aussteigt und auf den ersten Eindruck denkt, nun habe man sich in die russische Einöde verirrt, hat die Stadt, sobald man hineinfährt, einen sehr modernen und künstlerischen Flair. Außerdem: Perm ist wohl Partnerstadt von Duisburg! Überall kann man verschiedene Skulpturen sehen und die meisten Leute sprachen englisch mit uns – wieder mal wahnsinnig hilfsbereit und nett.Nachdem wir in Nischni den Grundstein gelegt hatten für die Freizeitbeschäftigung sich gequälte Tiere anzusehen, statteten wir dem hiesigen Zoo einen Besuch ab – der feierte letztes Jahr 90jähriges Jubiläum und die Gitterstäbe waren wohl teilweise Original auch noch so alt. Ebenso natürlich die Standards für die Tierhaltung- (in 2 Tagen 3 Tucans gesehen… oder Tucäne? Tuci?) mittlerweile sind wir überzeugt davon, dass es nicht mehr lange dauert, bis wir hier auf fahrendes Volk treffen mit Wahrsagern und waschechten Tanzbären.Sonst haben wir in Perm keine nennenswerten Sehenswürdigkeiten ausmachen können – am zweiten Tag sind wir noch kurz durch einen kleinen Park spaziert, der Freizeitpark (hauptsächlich für Kinder) war – und dann ging auch schon wieder der Zug.
Autor: JoJo
5. Etappe: Jekaterinburg: Wow, TOURISTEN!!!
So, nun nach leider einigen Tagen Wartezeit nun die Nachträge der vergangenen Städte :).
Unsere nächste Etappe nach Perm war Jekaterinburg – das – wie immer – überhaupt nicht so war, wie wir es uns vorgestellt hatten. Mitterweile sickert auch ganz langsam bei uns durch, dass es hier immer das Gegenteil von dem ist, was man sich so vorstellt.
Nach dem bisherigen Eindruck unserer Reise merkt man deutlich, dass Moskau die Hauptstadt und deutlich größer und geschäftiger ist als die anderen Städte. Die Sehenswürdigkeiten sind meist in relativ kurzer Zeit abgegrast (Kirche, Fluss, evtl. ein Park, meist ein Denkmal oder die zahlreichen Stadtbild verschönenden Statuen), und so ist es eigentlich auch in Jekatarinburg.
Praktischerweise hat sich die Stadt hier aber etwas sehr cleveres einfallen lassen, und so kam es, dass wir endlich auf die Rote Linie stießen – und zwar hier, im Ural, an der Grenze zwischen Europa und Asien.
Denn die rote Linie, die sich in einem (naja, sehr eckigen…) Kreis durch die Innenstadt zieht und die wir natürlich verfolgten, wie es sich für gute Touristen gehört, ist der Führer zu den Sehenswürdigkeiten wie: der Kirche, dem Park, dem flussähnlichen Kanal, zahlreichen Statuen die das Stadtbild verschönern UND! einem Tastaturdenkmal. Ja, richtig, eine überdimensionale Tastatur. Ziemlich lustige Sache eigentlich.
Was man in Jekaterinburg hervorheben muss, ist eine der Kirchen, und zwar die „Kirche auf dem Blut“. Dieser noch relativ neue Bau wurde am der Stelle errichtet, an dem das Haus stand, in das sich der Zar (der im Jahr zuvor abgedankt hatte) mit seiner Frau und seinen fünf Kindern zurückgezogen hatte und in dem die Zarenfamilie vor ganz genau 100 Jahren (vollkommen unabsichtlich sind wir genau zur… ähm…. Hundertjahr… feier? in die Stadt gekommen) von den Bolschewiken erschossen wurden.
Die Zarenfamilie ist inzwischen heilig gesprochen worden und die Kirche ist ein richtiger Pilgerort. Wir waren ja schon in einigen Kirchen und die Gläubigen scheinen zahlreicher als bei uns, aber die Blutkirche übertraf bisher alles. Wahnsinnig inbrünstige Gebete, weinende Bettler am Eingang, manisch betende Menschen. Und zwischendrin zahlreiche Bilder der Zarenfamilie als Heilige.
Und ein weiteres Highlight dürfen wir natürlich auch nicht verschweigen. Anlässlich dieses 100-jährigen Todestages (oder so haben wir es zumindest verstanden) und vielleicht auch ein bisschen wegen der WM waren in der Stadtmitte einige „Wir-sind-Jekaterinburg-im-schönen-Ural-Zelte“ aufgebaut – wo wir spontan bei einem Bastel-deine-eigene-traditionelle-russische-Strohpuppe-Workshop waren (wo unser Dasein als Tourist seinen bisherigen Aufregungshöhepunkt fand, denn die Mädels, die dort im Zelt an den Ständen arbeiteten, konnten ihr Glück kaum fassen zwei deutsche Touristen, die dazu noch mit dem Zug durch das ganze Land fuhren, erwischt zu haben und durchlöcherten uns mit Fragen… ebenso wie der Barkeeper später am Tag. Also vor allem die etwas jüngere Generation ist bisher immer wahnsinnig interessiert und freundlich und auch unglaublich erstaunt uns zu sehen :)) Was aber auch heißt: Wir sind nun beide stolze Besitzer wunderschöner, kleiner, vodooähnlicher Puppen!!
Blog Special Edition 1: Die WM und der Wolfi
Nachdem wir uns zufällig genau zu dem Zeitpunkt nach Russland aufmachten, zu dem hier die bisher teuerste WM ever stattfand, müssen natürlich auch dazu ein paar Worte verloren werden.
Praktischerweise waren die WM-Fans aus dem Ausland meist auf einen Blick erkennbar, und zwar dank der brillanten Idee der „Fan-ID“, gleichzeitig eine Art vereinfachtes Visum, Eintrittskarte zum Spiel, Pass für die öffentlichen Verkehrsmittel am Tag des Spiels – und, und, und.
In den Städten, in denen (in den wunderschön großen neu erbauten Stadien) WM-Spiele stattfanden (also auf unserer Route St. Petersburg, Moskau, Nischni Novgorod, Jekaterinburg), war jeweils ein riesiger organisatorischer Aufwand betrieben worden, um den Fans alles einfacher und… sicherer zu machen.
Sicherheitskontrollen an jeder Ecke und jedem Eingang, Polizei wo das Auge hinsah, aber auch ein Haufen an Volunteers und Infoständen, Ausschilderungen auf englisch in Metro und Stadt was wo und wo lang, Infomaterial in allen möglichen Sprachen usw.
In den Städten gab es jeweils auch eine FIFA-FAN-Fest Area, also Public viewing, und zwar mit waschechtem alkoholhaltigem Bier (Bud) – was in manchen Städten dazu führte, dass im Umkreis des Fanfestes der Verkauf von Alkohol in den Supermärkten verboten war – praktisch.
Einen kleinen Narren haben wir gefressen an Zabivaka, dem Maskottchen, in Form eines Wolfes.
Achtung, Zitat von der FIFA-Seite:
„Zabivaka™ bedeutet auf Russisch „Der einen Treffer erzielt“ und ist damit ein ausgesprochen passender Name für diesen Wolf, der Lebensfreude, Charm und Selbstsicherheit ausstrahlt. […] Der Name „Zabivaka™“ wurde erst nach einem ausgesprochen kreativen Auswahlverfahren mit der größten Öffentlichkeitsbeteiligung in der Geschichte der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™ vergeben.
Mehr als eine Million Russen gaben während des monatelangen Abstimmungszeitraums auf **FIFA.com **ihre Stimme ab, und die Bekanntgabe des Ergebnisses erfolgte im Rahmen einer Liveshow auf Channel One Russia.“
Man kann Zabivaka natürlich auch auf Facebook folgen, denn er ist ein Botschafter für Russland!
Ah übrigens – als Russland aus dem Viertelfinale ausschied, waren wir gerade in Moskau. Die armen Russen waren zu Tode betrübt und konnten einem wirklich leid tun – ca. zehn Minuten lang. Dann ging das Gefeiere einfach weiter, als hätten sie gewonnen, alle waren wieder fröhlich und nachdem Frankreich das Finale gewonnen hatte, brandete ein „Ро-сси-я! Ро-сси-я!“-Chor auf (Russland, Russland!).
6. Etappe: Omsk. Oder: Huch, wo sind wir denn hier gelandet?
Angekommen in Omsk stellten wir fest, dass wir erstmal eine dreiviertel Stunde Busfahrt vor uns hatten, aber nicht etwa unser Hostel war am Arsch der Welt, nein ledeglich der Bahnhof. Das Hostel befand sich mitten im Zentrum. Während der Fahrt konnten wir schon ahnen, was auf uns zukommen wird… nämlich nicht viel. Das Hostel, das diesmal ein MiniHotel Sova (=Eule) war, war bisher mit Abstand das schönste und komfortabelste auf unserer Reise: eine Matratze, die nicht an eine Strohmatte erinnerte und eine funktionierende saubere Dusche. Oksana, die nette und hilfsbereite Rezeptionistin, erklärte uns wir seinen mitten im Zentrum und alles wäre in der Umgebung. Wir sind dann raus um was zu essen zu suchen, fanden gleich die Kathedrale, die einzige Sehenswürdigkeit in Omsk und suchten weiter eine Möglichkeit unseren Hunger zu stillen. Nach längerer Suche fanden wir auch was. Essen zu bestellen gestaltete sich schwieriger als gedacht, da hier nun wirklich kaum einer auch nur ein bisschen Englisch spricht. Erschwerend kam hinzu, dass einige der von uns schwer erlernten russischen Wörter hier wohl einfach ganz andere waren – wahrscheinlich vergleichbar mit deutschem Deutsch und österreichischem Deutsch. Dumm gelaufen. Doch auch diese Aufgabe absolvierten wir meisterlich und bekamen etwas, trotz des ständigen Gekichers des Personals. Kurz im Internet recherchiert was wir noch machen könnten. Außer der Erkenntnis, dass der Großraum Omsk so groß ist wie Belgien, Österreich und die Niederlande zusammen brachte die Recherche Recht wenig. Also entschieden wir uns für den nächsten Tag für das einzig sinnvolle und gingen in einem Aquapark. Aber auch hier hat der Russe sich so manche Hürde für den gemeinen Touristen überlegt. Wie in fast jedem Hostel herrscht auch in einem Schwimmbad Badelatschenpflicht (Flipflops waren natürlich im Hostel im Rucksack, aber Einmalatschen sind käuflich zu erwerben) dann muss man einen Zettel den man nicht versteht unterschreiben (unsere Interpretation: im Falle des Todes selber schuld) und dann erst darf man sich bei der richtigen Kasse anstellen. Aber halt! Wir haben doch nicht vor, unsere Schuhe in der Hand zu tragen?!?! werden wir freundlich von einem Sicherheitsmann gefragt. Das hatten wir natürlich nicht (wir ins ja nicht komplett verrückt!) – also nochmal eine Plastiktüte für die Schuhe gekauft um sie darin 10 Meter zum Spind zu transportieren und los geht der Badespaß. Man duscht mit den Latschen und geht anschließend durch ein Desinfektionsbad für die Füße und stellt dann die Schuhe ab um Barfuß weiter zu gehen, also waren eine Milliarde Schuhe direkt hinter den Duschen zu finden und unsere neuen Latschen waren eine Freude für unsere Füße für ganze fünf Minuten. Es gab mehrere Rutschen. Ein deutscher TÜV-Prüfer würde beim Anblick der Treppen mit Rutschen – oder besser: dem Rost mit Rutschen – einen dreifachen Schlaganfall bekommen, aber das scheint in Russland auch immer Teil des Spaßkonzeptes zu sein, ein bisschen Todesangst gehört dazu. Abends stiegen wir wieder in den Zug um unsere Reise fortzusetzen nach Novosibirsk und endlich endlich trafen wir die im Internet versprochenen Klischeerussen, die uns erst Bier gaben dann im Speisewagen uns zum Vodka trinken einladen wollten. Wir folgten der Einladung, tranken, und am Ende wollte einer der beiden sich mit dem männlichen Teil von uns prügeln (Duell um die Frau), zum Glück war er so betrunken, dass er davor einschlief (Sieg für Deutschland durch technisches KO). Aufregend war es dennoch und hat uns viel Spaß bereitet. Viel Schlaf war es allerdings dann nicht mehr.
7. Etappe: Novosibirsk: Eisenbahn!
Nach Omsk stiegen wir in Novosibirsk (morgens um 06:00h) aus dem Zug und hatten einen Moment das Gefühl, an dem Bahnhof angekommen zu sein, an dem wir eingestiegen waren – denn beide teilen sich die wahnsinnig unauffällige Farbe Knalltürkis.
Im Gebäude angekommen entdeckten wir dann aber doch kleine Differenzen (der Bahnhof in Novosibirsk ist riesig und ziemlich schön gestaltet mit einer Armee an Topfpflanzen).
Auch Novosibirsk hatte nach den vergangenen „Dörfern“ wieder etwas mehr cosmopolitischen Wind. Die Stadt an sich ist grau in grau. Noch relativ neu und ein Kind der industriellen Revolution Ende des 19. Jahrhunderts mit Bau der Eisenbahnbrücke hier entstanden, wirken die Leute, die sich hier angesiedelt haben, recht bunt gemischt. Beeindruckend ist die Oper; 2000 Leute finden hier Platz.
Ein Highlight für uns war hier auf jeden Fall unser Hotel: direkt aus der guten, alten, sozialistischen Zeit übernommen, außen grau, innen beige, mit endlos langen Gängen auf zwölf Stockwerken und 1000 Zimmern. Einige davon sind dauerhaft untervermietet, andere von Hotelgästen wie uns bewohnt und in wieder anderen sind kleine Geschäfte: gegenüber auf dem Flur fanden wir ein Nagelstudio, drei Zimmer weiter einen Edelsteinladen, auch sein Make-up konnte man bei uns auf der Etage machen lassen.
Außerdem machten wir in Novosibirsk noch eine Entdeckung, die uns sehr begeisterte und die wir natürlich sofort ausprobieren mussten (denn das Zugfahren kam wirklich zu kurz in letzter Zeit): eine Minitranssibirische Eisenbahn, gebaut um auch Kindern dieses unvergleichliche Zugfahrgefühl zu ermöglichen.
Die Minitranssib tuckert durch einen Park und Jugendliche spielen Schaffner und reißen einem die Fahrkarten ab – herrlich!
Kurz überlegten wir noch, in den Zoo zu gehen, beschlossen dann aber, dieses neu gewonnen Hobby doch lieber wieder zu verwerfen und es durch ein anders zu ersetzen: nochmal Freizeitpark!
Blog Special Edition 2: Was uns bisher so auffiel an Russland
Blumenläden. Überall und mit Vorliebe 24 Stunden geöffnet.
LAUTE MUSIK! Lautsprecher auf der Straße, in der Sauna, im Bus mitten im Naturschutzgebiet, im Park, im Restaurant, und meist mit für unsere Ohren echt unpassender, viel zu lauter Musik. Electro-Rave-Geduzze beim Spaghetti essen, Radio Irkutsk wenn man am Zebrastreifen steht, und meist natürlich auch die allgegenwärtige Kinderunterhaltung in der Nähe, die hübsch verkleidet Sachen in ein Mikro brüllt und Kinder mit einem Seil bespaßt (sehr vielfältig, diese Seile).
Du gehst gerne mal an einer Stelle über die Straße an der du das eigentlich nicht darfst? Sehr gut! Da machst du dem russischen Autofahrer eine große Freude! Denn sobald er dich auf der Straße erspäht, wo du nicht hingehörst, steigt er nochmal so richtig aufs Gas! Hui, das macht Spaß, zu sehen, ob man den noch kriegt!
Sushi. Das Sushi ist in Russland angekommen, und zwar nicht nur ein bisschen, sondern so richtig. Überall gibt es Sushi. Wirklich! Über! All!
Die Speisekarte eines normalen Restaurants besteht aus Salat (Caesar’s Salad, natürlich nicht wie wir ihn kennen, sondern mit einer dicklichen Mayopampe als Sauce, meist griechischem Salat- in der Regel besteht das Dressing hier aus Öl und grünem Pesto – und meistens wars das dann), drei bis vier Pastagerichten, Burgern und Sushi. Allerdings – naja – gut ist anders. Vielleicht nennen wir es eher eine Sushi…..äh…. Variation.
Auch in jedem Supermarkt und an jeder Ecke gibt es ein Kühlregal oder einen kleinen Stand mit Sushivariationen. Neben diesen aufgeführten Essmöglichkeiten und einigen traditionellen russischen Lokalen ist es übrigens schwer, noch anderes zu finden (außer KFC, die scheinen den ehrgeizigen Plan zu haben, hier so groß zu werden wie das Sushi-Imperium).
Outfit. Wer eine Jogginghose trägt hat die Kontrolle über sein Leben verloren? Wow, Karl Lagerfeld, mutig, sich ein paartausend Russen zum Feind zu machen… das sind nämlich die, die dich über den Haufen fahren, wenn du zwei Meter neben dem Zebrastreifen einen Fuß auf die Straße setzt! Ach ja, Frauen bitte je nach Alter hyper aufgestylt oder in 60er-Jahre Manier schön brav oder dann eben ab 38 (Durchschnittsalter in Russland) sofort an den Klamotten als uralt klassifizierbar.
Du sprichst kein Russisch? Egal. Wozu die Ruhe verlieren und die Fremden anbrüllen als wäre man ein alter bayerischer Hinterwäldler? Die Russen sprechen meist auch kein Englisch, aber dafür oft zwei bis vier deutsche Wörter. Freuen sich sehr, diese zu sagen und fahren dann unbeirrt freundlich fort, einem einfach alles auf Russisch zu erzählen. Auch gerne mal 10 Stunden im Zug und öfter mal Witze (so wirkt es zumindest) – und wenn’s dann wirklich mal wichtig ist, eben mit Händen und Füßen!
Kreditkarten – immer, überall, für alles. Auch das Eis vom Stand auf der Straße für umgerechnet 60 Cent. Das schafft natürlich auch einen anderen Bezug zu Bargeld als wir ihn haben – z.B. ist es mitunter sehr schwierig, einen 500-Rubel-Schein loszuwerden (entspricht etwa 6,50€), weil man auf so große Scheine nicht rausgeben kann. Ein normales Abendessen im Restaurant kostet aber trotzdem oft 2000-3000 Rubel – 500 sind also keine abnormal hohe Summe. Wie die Augen sich bei einem 5000er- Schein weiten, brauchen wir wohl hier nicht zu erwähnen. Also – immer schön passend Geld dabei haben. Oder halt gar keins – kam auch schon vor dass nur Kartenzahlung möglich war.
Ach ja, kleiner Nachtrag zum Geld: Rubelscheine gibts ab 10 Rubeln – uns hat auch jemand erzählt, es hätte schonmal 5 gegeben. 10 Rubel sind ungefähr 13 Cent. 1, 2 und 5-Rubel-Stücke existieren natürlich auch noch – was aber wirklich schön ist, sind Kopeken. 10 und 50 konnten wir bisher ergattern, dh wir haben eine Münze mit einem Wert von ca. 0,13 Cent mit der wir absolut gar nichts anfangen können außer sie lieb zu haben.
Hausschuhe. So oft es geht bitte. Kommt man in ein Haus, ein Hotel oder sonst wohin, Schuhe aus, Schlappen an. Am besten nie, niemals eine Gelegenheit auslassen, Pantoffeln zu tragen! Sind allerdings multifunktional und können auch zum verprügeln von Kindern genutzt werden, wie wir neulich im Zug lernen durften.
Vodka ist out, Bier inn und Edelweiß und Kronenbourg sind hierzulande russische Biere. Russland hatte/hat wohl ein relativ großes Alkoholproblem, weshalb Alkohol in der Öffentlichkeit weitestgehend verboten ist und auch nachts nicht mehr verkauft werden darf und wir wurden inzwischen auch schon einige Male nach dem Ausweis gefragt.
Tauben!!!! Diese Viecher sind die unglaublichsten, robustesten Brocken an Dreistigkeit die man sich vorstellen kann. Auch nur einen Schritt zur Seite weichen weil ein Mensch oder ein Auto kommt?! Ha, niemals!!
8. Etappe: Krasnojarsk… da hat jemand was vor!
Krasnojarsk! Noch nie gehört? Komisch! Diese Kleinstadt im tiefsten Sibirien, in der wir uns gerade befinden (nach einer wirklich furchtbaren Nacht im Zug mit den beiden Betten, die direkt an die Klotür grenzen und damit den Vorteil haben, noch kürzer und schmaler zu sein als ohnehin schon und bezaubernden Bettnachbarn, nämlich einer schlechtgelauten Omi mit ihren zwei insomnischen Enkeln die sie unablässig mit einem ihrer Schlappen – oder wenn sie ihren gerade nicht finden konnte, eben einem von unseren – verdreschen musste), hat nämlich große Pläne!
2019 finden hier nämlich die Winterspiele der Studenten statt, und das scheint eine große Sache zu sein, denn es sieht so aus, als ob momentan die ganze Stadt umgebaut und auf Vordermann gebracht werden würde.
Der Verdacht, der uns schon in anderen – vor allem an der WM beteiligten Städten – beschlichen hatten, erhärtet sich hier: die wahnsinnig sauberen, schönen, glänzenden, neu gepflasterten und bepflanzten Straßen, Plätze und Parks, die so gar nicht so aussehen, wie man sich die ehemalige Sowietunion vorstellt, haben wohl alle eine noch gar nicht so lang zurückliegendene Generalüberholung hinter sich.
Ach ja, apropos Sibirien: hier hat es immer zwischen 20 und 30 Grad, ist super grün und in jeder Stadt werden als Sehenswürdigkeiten die Eisstädte angepriesen – auf jeden Fall ein Grund, die Reise nochmal im Winter zu machen (auch um die Vorstellung, die man so in seinem Köpfchen von Sibirien hat, abzugleichen)!
9. Etappe: Irkutsk- das was da auf dem Risikofeld ganz rechts ist… wo sind wir?
Tja, Irkutsk. Hier haben wir zum ersten Mal einen längeren Zwischenstopp eingeplant, nämlich fast eine Woche. Weil es hier so toll sein sollte, man am Baikalsee ist und den ja genießen muss (im Winter Hundeschlitten über den größten See der Welt der trotzdem zufriert, im Sommer baden am Strand).
So weit, so gut – nur, was nirgends stand: Irkutsk liegt leider auf der falschen Seite fürs Baden (weil im Moment = Sommer) und ist vom Prinzip her eine russische Stadt wie andere auch – aber – und jetzt kommt der entscheidende Unterschied: ein paar Touristen haben sie für sich entdeckt. Vor allem chinesische und russische, aber zum ersten Mal seit fast einem Monat sind wir auch wieder Deutschen begegnet, dazu ein paar Spaniern, Südamerikanern, Österreichern, Franzosen, Amerikanern und Niederländern.
Und hier wurde uns auch bewusst, was uns bisher so gut an Russland gefallen hat: die touristische Verschonung.
Durch die Touristenmassen, die in Moskau schon befremdlich waren, hier aber unangenehm sind, gefällt uns die Stadt leider nicht so gut wie sie es sonst vielleicht könnte.
Was wir wiederum interessant finden ist, dass man die Nähe zur Mongolei langsam schon ein bisschen spüren kann, vor allem beim Essen. Oder wir bilden uns die ganze Sache ein und das hat alles nichts miteinander zu tun – aber das werden wir ja alles nächste Woche erfahren :)!
Und noch etwas Verwirrendes… nachdem wir die rote Linie in Jekaterinburg ja schon erfolgreich verfolgt hatten, stießen wir hier auf die… grüne Linie. Und den Eiffelturm. Hm. Das lässt uns ratlos.
Olkhon-Insel… Wiiiiiilsoooooooon!!!
Auf den Rat eines in Irkutsk lebenden Belgiers hin haben wir spontan beschlossen, die Tagesausflugspläne die wir von Irkutsk aus hatten, zu knicken und stattdessen drei Tage auf die Insel Olkhon zu fahren – die größte und auch einzige bewohnte Insel im Baikalsee (70 km lang, 1500 Bewohner).
Landschaftlich wunderschön hat dieser Ausflug uns auf jeden Fall für Irkutsk entschädigt – touristisch steht die Insel der Stadt leider inzwischen in nichts mehr nach sondern macht ihr ernsthafte Konkurrenz.
Es gibt nur eine Stadt auf der Insel und sonst noch ein paar verstreute Häuser, wenn fünf zusammenstehen, nennt sich das dann „Dorf“.
Auch die Stadt ist überschaubar – durchquert hat man sie in jede Richtung in etwa zehn Minuten zu Fuß. Befestigte Straßen gibt es nicht, aber braune Erdspuren die sich dort durch die Wiesenlandschaft ziehen, wo eben alle Autos sie durchfurchen. UND es gibt keinen Geldautomaten!!! Und das ist quasi ein Wunder, denn die Dinger sind sonst so unglaublich omnipräsent, dass man meinen könnte, Russland besteht aus gar nichts anderem.
Bis vor einigen Jahren gab es hier noch keinen Strom, aber das hat sich geändert. Fließend Wasser ist zwar noch nicht, durch das Naturschutzgebiet, das die Hälfte der Insel ist, rollen aber täglich Dutzende von Minibussen, die Hunderte von Touristen in einer Massenabfertigung von einem Felsen zum nächsten karren, damit jeder mit seinem Lieblingsstein ein wunderbar inszeniertes Selfie für Daheim machen kann.
Abends gibt’s Unterhaltungsprogramm direkt im Guesthouse oder in der Festhalle – ein Zirkuszelt im Rande der Stadt.
Der Baikalsee wirkt eher wie Meer, was bei der Größe nicht verwunderlich ist. Er ist an der tiefsten Stelle ca. 1,6 km tief, 82 km breit und 673 km lang und benimmt sich auch wie ein Meer – Wellen sind möglich und es gibt Sandstrände. Das Wasser ist so klar, dass man an manchen Stellen wohl bis zu 40 Meter tief sehen kann.
Die Insel ist so eine seltsame Mischung aus Unberührtheit und touristischer Überfüllung. Die Zivilisation ist irgendwie nur in Brocken angekommen (im der Stadt Stehen Colakühlschränke, daneben grasende Kühe und nach einer westlichen Toilette sucht man eher vergeblich – übrigens haben wohl sehr viele Menschen nicht die Fähigkeit, ein 60-cm-Loch im Boden zu treffen…). Man kann stundenlang in einem Kleinen Truck darüber holpern (bevor wir hier waren, hatten wir wirklich keine Ahnung, was das Wort Schlagloch bedeutet. Wirklich. Keine.) und sieht Herden von Kühen und Pferden, die mitten im Nichts seelenruhig grasen.
Auch für viele Russen ein Naherholungsgebiet, immer wieder sieht man am Ufer ein aufgeschlagenes Zelt.
Insgesamt also Landwirtschaftlich wirklich wunderschön, die Touristenabfertigung aber mächtig abstoßend. Bleibt zu hoffen, dass das alles so nicht in kürzester Zeit ruiniert wird.
10. Etappe: Ulan Ude. Endlich. Wir haben ihn gefunden.
Was wussten wir bisher von Ulan Ude? Naja, ein junger Russe, den wir im Zug getroffen hatten und dem wir von unseren Reiseplänen erzählt hatten, brach in ein lang anhaltendes, lautes Klagen aus („Noooo! No, no, no, no, nooooooooo! Not Ulan Ude, noooooo!!“). Und: hier steht er. Der größte Leninkopf der Welt.
Johannes am Ziel seiner Träume. Fast acht Meter ist er hoch, vierzig Tonnen schwer
und steht zusätzlich noch auf einem ziemlich hohen Steinsockel.
Da wir nur einen Abend in Ulan Ude hatten, war das tatsächlich neben etwas zu essen und einem kurzen Spaziergang durch die Stadt die einzige atemberaubende Erfahrung, die wir hier gemacht haben.
Wobei… um ehrlich zu sein, war da eben zum einen noch die halbe Stunde, in der wir drei jungen Kellnerinnen unentwegt die Schamesröte ins Gesicht trieben bis sie sich minutenlang unter dem Tresen versteckten weil ihnen so peinlich war, dass sie kein Englisch sprachen und zum anderen die sowohl haptisch (interessantes Leinen-Papier-Klebe-Gefühl) als auch optisch überaus ansprechende Tapete unseres Hotelzimmers (wo wir in Ermangelung eines anderen Angebotes ein Dreibettzimmer gebucht und eines mit einem einzigen 1,20m Bett bekommen hatten – kuschelig :)).